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Montag, 16. Dezember 2013

Petra Hammesfahr - Erinnerung an einen Mörder



Der Anfang erinnert mich unweigerlich an „Sie nannten mich Es“ von Dave Pelzer und es gibt in der Tat viele Gemeinsamkeiten. Ein kleines Kind (der achtjährige Felix), eine tyrannische, brutale, faule und sadistische Mutter (Lotti) und ein oft fehlender Vater, welcher es nicht schafft der Mutter die Stirn zu bieten (Thorsten) – lustigerweise wie eben in obig erwähntem Buch ebenfalls in der Feuerwehrmann ist, wenngleich nicht hauptberuflich. Die jüngeren Schwestern (Annika und Sabine) kann man unter Umständen ebenso dazu zählen, anders ist aber die fiese Großmutter mütterlicherseits (Giftzahn), welche Thorsten für einen Nichtsnutz hält und welcher ihre unschuldige und hochbegabte Tochter so früh geschwängert hat. Beruflich schuftet Thorsten in einer Kunststoffgießerei und hilft manchmal in Extraschichten dem Onkel (Peter) von Felix in dessen Logistikunternehmen indem er die ein oder andere Tour fährt, während er sonst ab und an bei der Feuerwehr Menschen rettet und dafür von Felix als Held verehrt wird. Das Geld muss er fast vollständig der raffgierigen Lotti und dem Giftzahn abdrücken, welche einen Großteil davon sinnlos in Kleider, Schminke und dergleichen verfeuert.

Der Anfang ist daher mehr ein unfaires Martyrium, bis eines Tages schreckliches geschieht und die ganze Familie abgeschlachtet wird. Lediglich Felix überlebt, da er nicht rechtzeitig von der Schule zurück kam. Erinnern kann er sich daran nicht wirklich, obgleich er den Tatort als erster damals gesehen hatte. Die Bilder haben sich in seinem Kopf festgesetzt, aber eine Chronologie oder einer Sicherheit ob ihrer Wahrheit hat er nicht.

Sein Onkel Peter nimmt sich seiner an, adoptiert ihn und schickt ihn auf eine angesehene Privatschule, bzw. Internat um ihn dort auszubilden und als seinen Nachfolger im inzwischen florierenden Unternehmen hochzuziehen. Thorsten ist inzwischen geächtet und als der Täter ausgemacht, welcher sich feiger weise am Schluss noch selbst umgebracht hat. Ein aggressiver und streitsüchtiger Mensch soll er gewesen sein, unzuverlässig und ein Taugenichts. Felix Weltbild und Ansicht seinem Vater gegenüber hat sich drastisch geändert und eine 180° Kehre hingelegt, schien ihm doch sein damaliges Bild komplett verklärt zu sein. Die Vater-Sohn Beziehung wandelt sich im Verlauf noch einige male, was Thorsten, Peter und Felix anbelangt, was durchaus interessant gestaltet ist.

An seinem 16. Geburtstag geschieht aber plötzlich etwas, worauf hin er meint sich an die damaligen Begebenheiten zu erinnern. Wie der Klapptext unlängst verrät irrt er sich. Hier hatte ich erwartet, dass aufgrund dessen er in den Fokus eines Killers gerät, den falschen laufen lässt oder dergleichen – immerhin wird mir das Buch als ein Psychothriller verkauft und bis dahin ist schon einiges an Zeit vergangen und sooo dick ist das Buch auch wieder nicht. Aber das Buch verrät nicht viel und lässt den Leser noch sehr lange im Unklaren.

Es gibt mehrere Phasen in denen sich das Leben wieder beruhigt, bis ein neuer Verdacht aufkeimt, dass die offizielle Geschichte nicht ganz den Wahrheiten entspricht. Mal gibt ihm Thorstens Mutter Hinweise, mal ist es ein Bekannter oder eine Hellseherin und auch wenn viele Überlegungen ins Leere laufen, die Zweifel bleiben – zumindest beim Leser. Das streckt sich über eine große Zeitspanne, reißt immer wieder alte Wunden auf und macht Felix unsicher darüber, ob das – an was er sich erinnert – das ist was er wirklich sah, oder das was man ihm erzählte. Sowohl offiziell als auch inoffiziell. Dazu plagen ihn mysteriöse und verschlüsselte Träume und Visionen, welche in Verbindung mit dem Tattag stehen – er ihre Symbolik aber nicht sicher entschlüsseln kann.


Die Spannung welche hier aufgebaut wird, ist in meinen Augen daher nicht wirklich herkömmlicher Art. Es gibt, das Ende ausgenommen keine direkte Bedrohung in der Gegenwart, aber eine sehr große Unsicherheit bezüglich der Vergangenheit und ihrer weitreichenden Konsequenzen. Man will eben unbedingt wissen, was damals wirklich geschah, wer lügt und wer nicht und wenn, aus welchen Motivationen.

Interessant finde ich hier an dieser Stelle auch noch die Sprache, sie ist vermeintlich sehr roh und leicht derb in den Dialogen was ungewohnt, aber durchaus authentisch ist. Da werden Arbeiterlieder zitiert und gesungen, Beleidigungen und Flüche ausgestoßen aber alles in einem sinnvollen Rahmen. Ich habe mich nicht direkt daran gestoßen, musste mich aber daran erst gewöhnen. Am Ende einige ich mich da auf eine perfekt platzierte Hassliebe bezüglich der Sprache. Sie ist im Großen und Ganzen gut und treffend, muss einem aber vor allem in den Dialogen liegen auch wenn sie vollkommen ihre Berechtigung hat.

Die Geschichte ist bis hin zum Ende sehr verworren und wird immer blutiger, schafft es aber sich glaubwürdig aufzulösen. Ob die Handlungen der einzelnen Protagonisten immer Sinn machen ist eine andere Frage, sie sind aber nicht unlogisch. Der Psycho-Stempel ist gegen Ende aber dann doch verdient, insgesamt ein guter Thriller welcher sich erfreulich vom Gros abhebt, auch wenn die Geschichte doch recht vertraut anfing. Denn damit hat es im Endeffekt überhaupt nichts mehr zu tun.

Lohnt sich meiner Ansicht nach zu lesen.

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